Von der privaten Initiative zur Kinderkrippe
Wer kann die Geschichte der Chinderstube besser erzählen als deren Gründerin? Nachfolgend ein Gespräch mit Conny Fischer, das aus Anlass des 20-Jahr-Jubiläums, 2006, geführt wurde. Die Bilder stammen aus Conny Fischers privatem Fotoalbum.
Conny Fischer, was hat Sie bewogen, vor fast 20 Jahren eine Kinderkrippe zu eröffnen?
Am Anfang stand nicht die Idee: Jetzt eröffne ich eine Krippe. Es hat sich einfach so ergeben. Nach der Ausbildung zur Kleinkindbetreuerin, wie die Ausbildung damals hiess, fand ich keine freie Stelle. So beschloss ich, Pflegekinder aufzunehmen. Ich begann mit zwei Pflegekindern. Von Montag bis Freitag lebten die Kinder Tag und Nacht bei mir und meinem Mann, manchmal auch am Wochenende. Das lief ein Jahr lang so.
Das ist eine sehr intensive Betreuung...
Ja, wie eigene Kinder, eigentlich. Die Kinder waren zwei und vier Jahre alt. Manchen Leuten ist schnell aufgefallen, dass in unserem Garten immer Kinder spielten. Bald kam die Frage: Kannst du nicht auch meine Kinder tagsüber dazunehmen? Es verging kein halbes Jahr, dann waren es vier Kinder, dann sechs und schliesslich entsprach die Anzahl der Gruppengrösse in einer Kinderkrippe. Bald stellte ich eine Praktikantin ein. So ist das einfach gewachsen.
Die Krippe entstand also in Ihrem eigenen Haus. War es nie ein Problem, Berufsleben und Privatleben abzugrenzen?
In den ersten drei Jahren hatte ich regelmässig 12-Stundentage. Irgendwann ging das nicht mehr. Mit der Anstellung einer zweiten Erzieherin wurde eine Aufteilung in zwei Gruppen möglich. Es war aber nie ein Problem, die Krippe in unserem Haus zu haben. Ab einer bestimmten Grösse waren dann gewisse Investitionen unumgänglich. 1990/91 war es klar, dass der Betrieb nicht mehr auf privater Basis finanziert werden kann. Wir gingen die Stadt um Subventionen an, erhielten aber eine Absage, mit der Begründung, die Stadt könne nicht private Personen unterstützen. 1991 gründeten wir mit den Eltern der damaligen Kinder den Trägerverein, damit wir Unterstützung der Stadt beantragen konnten. Das war eigentlich der wichtigste Meilenstein in der Geschichte der Chinderstube: die Gründung des Vereins und der Antrag um Unterstützung, der dann im Oltner Gemeinderat auch durchgekommen ist.
Ging das reibungslos über die Bühne?
Das war sehr schwierig. Es gab noch ein weiteres Projekt in der Stadt, das aber nicht realisiert werden konnte. Damals gab es noch einige Politiker, die offen sagten, dass sie Kinderkrippen nicht unterstützen würden. Die Frauen würden zu Hause an den Herd und zu den Kindern gehören. Manche sagten auch, dass sie nicht an der besten Lösung für die Kinder, sondern an der billigsten interessiert seien. Aussagen, die man heute so nicht mehr hört.
In den 20 Jahren hat eine eigentliche Professionalisierung der Krippen stattgefunden. Eine rundum positive Entwicklung, oder sehen Sie auch Schattenseiten?
Ich sehe die Entwicklung positiv. Bei mir und bei den Mitarbeiterinnen ist das Bewusstsein für die Betreuung und die pädagogische Arbeit gewachsen. Heute führen wir beispielsweise für jedes Kind einen Ordner, beobachten und arbeiten gezielt. Wir setzen ein Spielangebot gezielt ein, um Kinder auf einem Gebiet zu fördern, wo sie vielleicht noch Mühe haben.
Viele Leute gehen davon aus, dass die Kinder die ganze Woche in der Krippe verbringen.
In den Anfangszeiten waren die meisten Kinder jeden Tag in der Krippe. Das ist heute die Ausnahme. Der Normalfall ist heute, dass ein Kind zwei bis drei Tage in der Krippe verbringt. Für die restliche Zeit übernimmt die Familie selber die Betreuung. Die Krippe ist so eine ideale Ergänzung zur Betreuung zu Hause, von der Eltern und Kinder profitieren.
Die Krippe sieht sich heute also als Erziehungsinstitution und nicht einfach als „Kinder-Aufbewahrungsort“.
Genau. Vor Jahren wurden Frauen noch schräg angeschaut und als Rabenmutter betitelt, wenn sie ihr Kind in die Krippe brachten. Heute können die Leute stolz sagen: Ich habe einen Krippenplatz für mein Kind. Wir haben schon das Gefühl, dass unsere Arbeit von breiten Kreisen anerkannt wird. Wir werden als Einrichtung wahrgenommen, wo Kinder professionell betreut und gut aufgehoben sind. Das hat sich schon stark verändert. Was sich in all den Jahren nicht verändert hat: Ein Betrieb wie eine Kinderkrippe kann nur funktionieren, weil sich in den Trägervereinen Leute mit grossem Engagement auf ehrenamtlicher Basis einsetzen. Künftig müssen auch für diese Arbeit die nötigen Mittel zur Verfügung stehen. Hier hinkt die Enwicklung hinter her.
Spardruck und beschränkte Mittel sind auch für Krippen eine Realität. Inwieweit tangiert dies die Arbeit?
Man kann eine Krippe nicht als Betrieb sehen, der Ende Jahr einen grossen Gewinn abwirft. Man muss zufrieden sein, wenn es einigermassen aufgeht. Auch wenn wir manchmal grosse Pläne haben, müssen wir realistisch sein. Entwicklungen sind auch da nur in kleinen Schritten möglich.
Krippen kosten die öffentliche Hand nicht nur etwas, sie erbringen ja auch Leistungen.
Eine Krippe fängt heute vieles auf, etwa bei der sprachlichen Entwicklung. Ich denke da gerade an Kinder, die zu Hause nicht deutsch sprechen. Sie haben in der Krippe die Chance, deutsch zu lernen. Wir leisten hier wichtige Vorarbeit. Wir brauchen nicht nur Geld, wir helfen vielleicht auch, spätere Ausgaben zu sparen.
Heute werden bestimmte Qualitätsstandards erwartet. Kann man die Qualität der Betreuung überhaupt messen?
Ein wichtiges Merkmal ist sicher, wenn die Eltern zufrieden sind. Gute Auslastungszahlen sind auch ein Merkmal. Professionalität hat unter anderem damit zu tun, dass man sich am eigenen Projekt weiterentwickelt, zum Beispiel ein sozialpädagogisches Konzept ausarbeitet. Aber schlussendlich kommt es auf die Umsetzung im Alltag an. Nicht was auf dem Papier steht, sondern was im Alltag gelebt wird, betrifft die Kinder wirklich.